Donna Diana - KN
2003.05.19 17:00
The Winner takes it all: der neue Bademantel-Held im Rotkäppchen-Regen. Tenor Roman Sadnik darf im öden Vereinsheim wenigstens schön singen. Foto Thode
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In Badelatschen am Abgrund
"Donna Diana": Alexander von Pfeils Inszenierung verweigert sich dem Komischen in von Rezniceks Oper
Fortsetzung:
Den schaalen Nachgeschmack, den der Kieler Wiederbelebungsversuch der von 1894 bis in die 40er-Jahre gerngespielten und dann in der Versenkung verschwundenen Oper hinterlässt, auch auf die Musik zu schieben, wäre nicht fair. Die Kieler Philharmoniker beweisen mit beachtlicher Genauigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit wie vielgestaltig ihr oft rasant auftrumpfender Part angelegt ist. Er kann mit dem Niveau von Humperdinck und Siegfried Wagner, dem frühen Zemlinsky oder Wolf-Ferrari bestens mithalten. GMD Ulrich Windfuhr zeigt Sinn für die raffinierten Klangvaleurs, für das Zischen und Schäumen, Plappern und Säuseln der Partitur und lässt allenfalls in der verhetzten Ouvertüre oder beim Walzer-Charme Wünsche offen.
Die Sänger der beiden Hauptpartien Donna Diana und Don Cesar bekommen vom Komponisten keine Steilvorlagen, um groß herauszukommen. Aber Manuela Uhl und Roman Sadnik singen beide so natürlich-klangschön, sicher und differenziert im Ausdruck, dass ihre sich gegenseitig endlos umkreisenden Figuren nicht blutleer bleiben. Erfreuen kann man sich auch an schönen Ensemble-Sätzen.
Das Problem liegt also woanders: Im etwas grätenlosen, in sich gefangenen Libretto vielleicht, das der Komponist selbst über Umwege nach der einst ebenfalls vielgespielten spanischen Barock-Komödie El Desdén Con El Desdén Don Augustín Moreto y Cavanas zusammenschusterte; vor allem aber in der eindimensionalen Inszenierung Alexander von Pfeils.
Seit jeher neigt dieser Regisseur dazu, Opern ihre saturierte Gemütlichkeit auszutreiben, ihrem kulinarischen Charme zu misstrauen. Während er die letztendlich finsteren Dramen wie Verdis Rigoletto oder Brittens Lucretia dabei von vornherein auf seiner Seite weiß, muss er im phantastischen oder gar komischen Genre hart eingreifen. Mit kühnen Schnitten trimmte er so Hoffmanns Erzählungen auf Psychohorror, merzte auch in Franco Alfanos Cyrano de Bergerac heitere Rudimente aus. Aber was dort heiß diskussionswürdig gelang, führt nun zum Knock Out der "Komischen Oper" in der ersten Runde. Im Programmheft-Interview beschwört von Pfeil noch treffend die für das Werk typischen Kontraste zwischen beschwingter Bolero-Oberfläche und seelischem Abgrund. In seiner szenischen Umsetzung ebnet er dann aber diese so wichtige Fallhöhe komplett ein. Der Abgrund wird der dauerplatte Boden der Tatsachen. Die Musik kann noch so sprunghaft die Stimmung wechseln, die Regie ertränkt sie ungerührt gnadenlos in Melancholie und Monotonie.
Die Handlung ist in den badelatschigen, im Grunde unerotischen Mief einer Wellness-, Swinger- und Body-World verlegt, ohne daraus die Kraft zu Karikatur und Bewegungswahnwitz zu schöpfen. Ein Rülpser ist schon das Höchste auf der Humorskala und eine abstruse Pausenlösung evoziert weiteres Kopfschütteln. Bernd Damovsky und Stefani Klie potenzieren die Ödnis mit ihrer viel zu großen, akustisch problematischen Teak-Funier-Tresenhalle. Auch Marian Bouwman will sich in ihren Kostümen weder zur trashigen Übersteigerung noch zur präzisen Bestimmung eines Jetzt oder Gestern durchringen. Der gestelzte Tonfall bei Hofe steht ohnehin quer zum Biertresen. Denn die eigentlich vom Opernhaus angekündigte, von Reznicek selbst ins 20. Jahrhundert verlegte Zweitfassung der Oper ließ sich nicht bewerkstelligen.
Die widerspenstig-verschreckte Diana, so erfahren wir inmitten all dieser Unschärfen müde mitleidig, wird dem allgemeinen Körperkult nicht voll gerecht und erleidet das Schicksal ihrer Mutter (Christel Marchi): Endlich ihrem an- und ausziehenden Cesar versprochen, wird sie nämlich nur noch die Matrone an seiner mächtigen Seite zu spielen haben. Der Gernegroß von Welt, so zeigt das Beispiel ihres Vaters (markig: Max Wittges), hält sich selbstverständlich zusätzlich ein blondes Girlie im falschen Nerz (Sinet Witthöft). Die schweren Jungs von nebenan Louis und Gaston (bewährt: Hans-Jürgen Schöpflin und Matthias Klein) streben diesen "Glücksstatus" erst an.
Floretta, neben Laura und Fenisa (Cornelia Zach, Susanne Kreusch) das Aerobic-Wunschbild dieser uninteressanten, auf diverse Körpersäfte fixierten Pappnasen-Gesellschaft (Chor, bestens beigemischt von Jaume Miranda), darf sich um Diana herum etwas in den Vordergrund spielen. Zudem gewinnt sie durch Anne-Carolyn Schlüters geschmeidig-schönen Mezzo-Töne, zumal im zartbitteren Schlummerlied, an Aufmerksamkeit. Unter Wert, wenn auch als Club-Wärter omnipräsent, wird schließlich die wichtige Rolle des Perin verkauft. Immerhin singt Simon Pauly die Partie mit ihrem anspruchsvollen Narrenlied auf hohem Niveau.
Die Gegenwehr des Publikums gegen das einseitige Regiekonzept fällt eindeutig aus. Der eigentliche Dienst an Reznicek gelingt zumindest auf musikalischer Ebene. Der Ertrag steht mit der CD-Produktion also noch aus.
Emil Nikolaus von Reznicek: Donna Diana. Opernhaus Kiel. Regie: Alexander von Pfeil; Bühne: Bernd Damovsky / Stefani Klie; Kostüme: Marian Bouwman; Musikal. Leitung: Ulrich Windfuhr. Termine: 23., 25., 29., 31. Mai, 22. Juni. Karten: 0431 / 95 0 95 www.kiel.de/buehnen CD-Produktion des Labels cpo, ermöglicht durch die Reznicek Society, ist in Vorbereitung.
Kieler Nachrichten vom 20.05.2003
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