Liebe ist Sport - Donna Diana am Kieler Opernhaus
2003.05.26 17:00
Tätowierte Männer in Badehosen, durchtrainierte Frauen im Aerobicdress, stilsichere 60-er Jahre Dekoration, bei der von den Lampen bis zur Frisur des Vereinswirt alles stimmt. Das alles bietet die Kieler Inszenierung von Donna Diana - und "daneben" natürlich noch die Musik und die eigentliche (wenn auch recht dürftige) Handlung der Oper.
Donna Diana war nach ihrer Uraufführung 1894 eine äußerst erfolgreiche Oper des Komponisten Emil Nikolaus von Reznicek, die nach 1945 in Vergessenheit geriet. Das Kieler Opernhaus hat sich bereits in den vergangenen Jahren mit Ausgrabungen zu Unrecht vergessener Werke einen Namen gemacht. Die Kieler Inszenierung verlegt die Handlung in ein detailreich ausgestattetes, muffiges Sportvereinsheim. Die Inszenierung von Alexander von Pfeil ist durchdacht, stimmig und unterhaltsam, wurde jedoch von einem Großteil des Publikums mit vernehmbarer Kritik aufgenommen. Für Sänger und Orchester gab es dagegen am Premierenabend gab es ungeteilten Jubel.
Nicht ganz alltägliche Szenen vor der Premiere: Ein Teil des Publikums ist von außerhalb Kiels angereist, denn die Oper war seit 60 Jahren nicht mehr zu hören. Mitglieder der Reznicek-Society haben teilweise einen weiten Weg nach Kiel auf sich genommen, um die Premiere zu erleben. Vor dem Opernhaus wird ein Fernsehinterview gegeben. Die Premierenvorstellung wird von einem CD-Label mitgeschnitten und soll auf demnächst veröffentlicht werden.
Viel Lärm um nichts? Keineswegs! Musik und Inszenierung sorgen dafür, dass die Aufführung keine Sekunde langweilig ist. Die Handlung der Oper ist belanglos. Donna Diana und Don Cesar, die in der Oper ein Happy End erleben dürfen, finden erst zueinander, nachdem sie sich durch gespielte Gleichgültigkeit füreinander gegenseitig in Fahrt gebracht haben.
In der Regie von Alexander von Pfeil wird die Handlungsarmut der Vorlage durch Phantasie- und Detailreichtum ausgefüllt. Jedes Chormitglied agiert individuell auf der Bühne, die Bernd Damovsky und Stefanie Klie in ein Sportvereinsheim im Stil der 60er Jahre verwandelt haben. Die Kunstledersitzgruppen, die mit Siegestrophäen zugestellte Bar und das flugs herbeigetragene Siegertreppchen werden geschickt als Schauplätze der Handlung genutzt. Die Akteure machen in den Kostümen von Marian Bouwman eine gute Figur, die Auftritte in Badehosen, Bademänteln und Aerobicdress passen so selbstverständlich ins Ambiente, dass sie in keinem Moment peinlich wirken.
Der Kampf um die Gunst von Donna Diana wird als fairer Wettstreit zwischen Sportsfreunden auf die Bühne gebracht. Das Vereinsheim ist ein Mikrokosmos, in dem geschwitzt, gelitten und gesoffen wird. Immer gibt es auf der Bühne etwas zu sehen. Dianas Vater ist Sportfunktionär und betrügt seine im Libretto nicht vorgesehene Frau mit dem Vereinsflittchen. Seine Frau sucht Trost und Vergessen an der Bar, kann aber noch erleben, wie ihre Rivalin unter den Sportsfreunden weitergereicht und gedemütigt wird. Chor und Statisterie agieren mit sichtlicher Spielfreude. Das Spektakel hat nicht immer etwas mit dem Inhalt des Librettos zu tun (wenn etwa der siegreiche Don Cesar in Champagner gebadet wird), ist aber immer fesselnd und unterhaltsam.
Die Musik überrascht durch eine große Spannweite zwischen Anklängen an Wagner bis zu operettenhaften Abschnitten. Das Orchester unter Leitung von Ulrich Windfuhr spielt oft laut, aber mitreißend und kostet die Kontraste und harten Übergänge der Partitur voll aus.
Roman Sadnik als Cesar versemmelte am Premierenabend grandios den ersten Spitzenton, steigert sich dann jedoch erheblich und beeindruckt mit seiner engagierten Darstellung der Rolle. Musikalisch stimmt wirklich alles. Vor allem die Ensembleszenen funktionieren mit unglaublicher Präzision. Max Wittges singt den Vater der Diana mit Noblesse und ist auch darstellerisch stark gefordert. Susanne Kreusch und Anne-Carolyn Schlüter becircen Publikum und Vereinsmitglieder mit Musikalität und Anmut. Die kleineren Rollen der Sportsfreunde sind mit Hans-Jürgen Schöpflin, Matthias Klein und Simon Pauly fast zu gut besetzt, was der musikalischen Balance der Szenen jedoch natürlich gut bekommt. Fast unterfordert mit der Rolle der Laura ist auch Cornelia Zach, die mit Wohlklang und Textverständlichkeit einen starken Eindruck und im Sportdress eine betörende Figur macht. Der unbestrittene Star des Abends ist Manuela Uhl. Da sitzt jeder Ton, sich macht einen Handstand - und singt dabei, tanzt verführerisch auf der Bar und bannt die Aufmerksamkeit des Publikums in den dramatischen Momenten.
Die Zustimmung des Publikums zur musikalischen Leistung aller Beteiligter ist einhellig. Die Buhrufe für das Inszenierungsteam sind etwas ungerecht. Welchen Eindruck hätte die Oper bei einer 1:1-Umsetzung des mageren Librettos gemacht? Und der musikalische Eindruck rechtfertigt die Aufführung in jedem Fall.
Am Ende hat Cesar seine Diana gewonnen. Sie darf ihm seine Sporttasche packen und in sein Heim folgen. Liebe ist Sport - Beides ist schön, kann aber auch verdammt hart sein...
(Marcus Semerau)
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