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  • Siegfried Bühr und Johannes Willig loten in der Kieler Oper die Tiefe in Mozarts „Così fan tutte“ aus  

    So ernst, so heiter überm Abgrund

    Christoph Munk | kn | 18.04.2010

    Kiel. Don Alfonso hat seine Wette gewonnen, doch er wird des Sieges nicht froh. Auch die Zofe Despina wird es nicht, obwohl ihre Intrigen bravourös gelangen. Gänzlich beklommen aber sind die beiden Liebespaare, denn ihnen hat die als Spiel begonnene Probe der Weibertreue tief und ernst ins Herz geschnitten. Glücklich durften am Ende von Wolfgang Amadeus Mozarts Così fan tutte nur die Akteure der Kieler Premiere sein. Und das Publikum, das eine heiter gestimmte und doch nachdenklich verschattete Aufführung jubelnd feierte.

      

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    Die Männer feiern mit Beugelbuddelbier. Ferrando und Guglielmo kommen unbeschwert verspielt daher, zwei ziemlich grüne Jungs. Ihr Kumpel Don Alfonso, kaum älter, gönnt sich dagegen gelassen intellektuelle Zweifel. Fiordiligi gleitet auf Inlinern, Dorabella flegelt sich. Die Schwestern amüsieren sich königlich, weil in ihren Augen ihre Verehrer den Superstars auf dem Flachbildschirm absolut ebenbürtig und dazu noch edel erscheinen. Doch Despina, so jung wie gewitzt, weiß, was bei den Männern Sache ist: „In uns lieben sie nur ihr Vergnügen.“


    Regisseur Siegfried Bühr lässt das leichtfertige Spiel mit der Liebe und der Tugend aus dem Rokoko unverkennbar im Hier und Heute ankommen. Als Schauplatz dient ihm ein von Thomas Dreissigacker etwas roh gebauter Bungalow irgendwo am Hang und am Wasser, sparsam eingerichtet, aber mit einer schräg in die Bühne ragenden Veranda ideal geeignet für rasche Szenenwechsel ohne aufwendige Verwandlungen. Auch wenn italienisch gesungen wird - statt Neapels üppiger Wärme scheint hier moderat eine nördliche Sonne, denn Bührs Inszenierung hat keine schönen Illusionen zu verschwenden. Auch Ursina Zürchers Kostüme orientieren sich eher gewöhnlich am Alltag als an modischer Eleganz. So entsteht eine zeitgemäß nüchterne Atmosphäre, in der dem Publikum die Figuren und ihre Gefühle näher rücken sollen.

    Ferrando und Guglielmo, zwei junge Männer, versuchen den Partnerwechsel. Angestiftet von ihrem Freund Don Alfonso, erproben sie als Verführer die Treue ihrer Verlobten - mit Erfolg. Doch es ist ein Spiel mit einem Feuer, an dem sie sich selber verbrennen. Denn sie kränken zwar die Ehre ihrer Frauen, erleben sich aber ebenso als betrogenen Betrüger. Was harmlos beginnt, wird existenziell dem Gefühlsleben gefährlich. Siegfried Bührs versierte Personenführung erlaubt an diesem Dilemma keine Zweifel. Der Regisseur nutzt zwar die Raffinessen im Text des Librettisten Lorenzo da Ponte für komische Momente und schöpft die ironischen Werte in Mozarts Musik köstlich aus, lässt aber das Experiment nach und nach in seine traurigen Abgründe gleiten. Zurück bleiben Beschämte, um ihr Vertrauen gebrachte Verlierer. Von der im Gesang beschworenen „heiteren Ruhe“ hinterlässt Bührs Schlussbild einsamer Menschen keine Spur.

     

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    Betörende Harmonie bestimmt dagegen das Solistensextett, dem sich der von David Maiwald einstudierte Chor bruchlos anschließt. Den jungen Sängern gelingen wunderbar austarierte Ensembles und darstellerisch wie stimmlich überzeugende Figuren. Susan Gouthro erfüllt mit groß aufleuchtendem Sopran alle Erwartungen an die heikle Partie der Fiordiligi; Amira Elmadfa gibt mit schlankem, fein timbrierten Mezzo der Dorabella mädchenhaften Charme. Yoonki Baek stattet den Ferrando mit lyrisch elegantem, sicher geführtem Tenor aus; Tomohiro Takada bringt für den Guglielmo einen kernigen, wohlklingenden Bariton und besonders für seine selten gesungene, von Mozart jedoch ursprünglich vorgesehene Arie im ersten Akt spielerisches Talent mit. Kyung-Sik Woo führt die Gestalt des Don Alfonso mit eher hellem, dennoch kräftigem Bass als kühlen Intellektuellen vor. In die Herzen des Publikums aber springt Sen Acar als komödiantisch gewiefte, quicklebendig singende Despina.

    Über allem, unter allem, um alles herum: Mozarts farbenreiche, intensive und den Text vielfältig ausdeutende Musik. Johannes Willig verwirklicht mit den hellwach und präzise musizierenden Kieler Philharmonikern einen gemäßigt historisch informierten, transparenten Klang. Seine Tempi sind spritzig und temperamentvoll, können sich dynamisch und dramatisch steigern, geben aber in den innigsten Momenten der exponierten Arien dem langen Atem Raum. Da offenbart Willig ein souveränes Gespür für die seelischen Spannungen in der Handlung, fein abgestimmt auf Siegfried Bührs Regiekonzept, das sich bewusst von der reinen „opera buffa“ entfernt und im Sinne der Gattung „dramma giocoso“ die Ernsthaftigkeit sucht.

    W. A. Mozart: „Così fan tutte“. Regie: Siegfried Bühr, musikalische Leitung: Johannes Willig. Oper Kiel, Termine: 22., 27., 30. April; 8., 16., 20. Mai. Kartentel.: 0431/901901; www.theater-kiel.de

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