Lady Hamilton
2003.12.29 17:00
Eduard Künnekes reizvolle Operette "Lady Hamilton" an der Kieler Oper
Bei Ariadne gestrandet: Don Alfredo (Peter Lodahl) auf Knien vor Emma (Marion Costa) Foto Struck Frech-frivole Musik aus dem Berliner Hexenkessel der Zwanziger Jahre, die Handlung nicht ohne Tiefgang, eine zumindest in weiten Teilen ironisch-frische Inszenierung: Kiels Opernintendantin Anette Berg ist ihrer alten Kölner Wirkungsstätte beim Comeback von Eduard Künnekes unterschätzter Operette "Lady Hamilton" um einige Monate voraus.
Hier wie dort kommt der Komponist so jenseits seines bekannten "Vetter aus Dingsda" zum 50. Todestag zu Ehren. "Du hast dem Herrgott Modell gestanden, als er die Frauen schuf", schwärmt der arme Kerl, geblendet und bald in die Schranken gewiesen von einer stolzen Venus, die in einer zwielichtigen Hafenkneipe offensichtlich fehl am Platze ist. Ohne dass der spanische Seeoffizier im 18. Jahrhundert schon ahnen kann, wie Recht er bis heute mehr und mehr bekommt, umreißt sein Satz doch die Signalfunktion, die diese ungewöhnliche Frau seit zwei Jahrhunderten hat. Lady Emma Hamilton, viel bedichtet und gemalt, ist eine Ikone der Emanzipationsbewegung. Sie gehört auf einen Sockel neben ihren Geliebten Lord Nelson, der auf andere Weise erfolgreiche Schlachten geschlagen hat.
Auch Eduard Künneke hat ihr ein Denkmal gesetzt. Seine auf einem Libretto von Richard Bars und Leopold Jacobson entwickelte Operette Berliner Art stellt sie ganz und gar in den Mittelpunkt. Diese musikalisch und bühnentechnisch herausgehobene Position nutzt im Kieler Opernhaus die Sängerin Marion Costa für ihr würdevoll-empfindsames Titelpartie-Porträt - stimmlich und im Spiel nie lauthals forciert, sondern elegant geschliffen und souverän. Dabei gibt sie die Amy Lyons, die sich selbst mit Intelligenz und Instinkt von der Bar-Attraktion zur Diplomaten-Gattin und zu Admiral Nelsons besserer Hälfte aufbaut, mit gutem Grund nicht als feministische Kampfhenne, sondern betont weiblich. Ob heißblütiger Verehrer wie Don Alfredo, dem der dänische Tenor Peter Lodahl bei seinen lyrischen Höhenflügen behutsam Stimme gibt, oder pflichtverkrampfter Gatte Sir William (Karl Schmid-Werter), dem der Komponist ob der diplomatisch heiklen Verwicklungen zwar nicht die Sprache, aber doch den Gesang versagt hat: Die Männer zahlen Lehrgeld.
Der Regisseur Andreas Geier hat auf Grundlage der Konzeption seines angeblich erkrankten Kollegen Lorenzo Fioroni eine überwiegend frische, mit vielen Bildzitaten und Andeutungen spielende Inszenierung ausgearbeitet, die die verbreitete Lust am Happy End mal betont, mal ironisch unterläuft. Der erste Akt der ausgewachsenen Operette kommt entsprechend - Film-Vorspann inklusive - ganz als Hollywood-Revue-Schinken daher. Kiels Ausstattungsleiter Norbert Ziermann hat dafür eine frisch getünchte, weiträumige Traumkulisse gebaut, in der die Liebenden die Sterne vom Himmel holen und Singing-in-the-rain-Tanzen können. Mühelos gelingt so und mittels der Kostüme (Sabine Blickenstorfer) die Rückblende in ein künstliches Rokoko, bevor man sich dann im mondänen Teil Neapels irgendwann im näheren Gestern des 20. Jahrhunderts wiederfindet. Dort, beim x-ten Happy End (diesmal mit Amors Pfeil!) wird beim Kostümfest der schon längst selige Lord Nelson (Jürgen Prediger) vom Sockel steigen, um Lady Hamilton für immer und ewig auf den selbigen zu helfen. Obwohl sie schon gestorben sind, leben sie noch heute. Sehr wirkungsvoll werden von der Regie nebenbei die Erzkomödianten des Ensembles in Szene gesetzt: Allen voran bestätigt Hans-Jürgen Schöpflin sein komisches Talent, macht den unfreiwillig ins heiße Neapel versetzten Londoner Befehlsempfänger Lord Percy zum köstlich genervten und dabei herzensguten und sängerisch überragend plastischen Drahtzieher der Handlung. Simon Pauly bringt als Prinz von Pisa eine Franzosen-Parodie auf den Comedy-Punkt. Und Gloriana Casero, Wettbewerbs-Stipendiatin im Kieler Ensemble, kann als Kellnerin Maria nicht nur temperamentvoll in ihrer spanischen Muttersprache schimpfen.
Auf der anderen Seite werden Operettenklischees mit wenig gebremster Puppenlustigkeit eingestreut. Clark Dunbar darf den(Kunst-?)Maler Romney eifersüchtig Amok laufen lassen; Heike Wittlieb gibt das nur bedingt emanzipierte, dafür munter singende Blondchen Kitty; Martin Fleitmann schärft das Zuhälter-Profil des Kneipenwirts; und Tom Keller bietet als Diener Jimmy Edward Slapstick mit Träne im Knopfloch.
Dass der seit längerem am Kieler Opernhaus ungenutzte Operettenmotor in der Premieren-Überspannung noch nicht hundertprozentig rund läuft, es hier noch fehlzündet und da noch wackelt, mag man weder dem eingesprungenen Regisseur noch dem Kapellmeister Simon Rekers ankreiden. Letzterer kann sich sowohl auf den choreographisch wie musikalisch anspruchsvoll geforderten Chor (Einstudierung: Jaume Miranda) wie auf die nur zu Beginn etwas hölzernen Kieler Philharmoniker verlassen, die er mit Erfolg zu einem verschlankten Unruheherd Marke "Roaring Twenties" getrimmt hat. Die re-implantierten Saxophone, die rhythmischen Anklänge an die noch junge Marke Jazz und nicht zuletzt die eingängigen und doch alles andere als konventionell gestrickten Melodien sind eine frivol-freche Künneke-Saat, die in den Folgeaufführungen noch mehr Blüten treiben kann.
Eduard Künneke: Lady Hamilton. Oper Kiel. Termine: 31. Dezember (16 Uhr; Vorstellung um 20 Uhr ist ausverkauft), 3., 9., 11., 14., 18., 22. und 30. Januar sowie 12., 14., 19. und 28. Februar. Vortrag des Operetten-Fachmanns Prof. Dr. Volker Klotz (Frauen am Ruder. Operettenheldinnen bei Eduard Künneke) am 12. Januar um 19.30 Uhr. Karten: 0431 / 95 0 95 www.theater-kiel.de
Bei Ariadne gestrandet: Don Alfredo (Peter Lodahl) auf Knien vor Emma (Marion Costa) Foto Struck Frech-frivole Musik aus dem Berliner Hexenkessel der Zwanziger Jahre, die Handlung nicht ohne Tiefgang, eine zumindest in weiten Teilen ironisch-frische Inszenierung: Kiels Opernintendantin Anette Berg ist ihrer alten Kölner Wirkungsstätte beim Comeback von Eduard Künnekes unterschätzter Operette "Lady Hamilton" um einige Monate voraus.
Hier wie dort kommt der Komponist so jenseits seines bekannten "Vetter aus Dingsda" zum 50. Todestag zu Ehren. "Du hast dem Herrgott Modell gestanden, als er die Frauen schuf", schwärmt der arme Kerl, geblendet und bald in die Schranken gewiesen von einer stolzen Venus, die in einer zwielichtigen Hafenkneipe offensichtlich fehl am Platze ist. Ohne dass der spanische Seeoffizier im 18. Jahrhundert schon ahnen kann, wie Recht er bis heute mehr und mehr bekommt, umreißt sein Satz doch die Signalfunktion, die diese ungewöhnliche Frau seit zwei Jahrhunderten hat. Lady Emma Hamilton, viel bedichtet und gemalt, ist eine Ikone der Emanzipationsbewegung. Sie gehört auf einen Sockel neben ihren Geliebten Lord Nelson, der auf andere Weise erfolgreiche Schlachten geschlagen hat.
Auch Eduard Künneke hat ihr ein Denkmal gesetzt. Seine auf einem Libretto von Richard Bars und Leopold Jacobson entwickelte Operette Berliner Art stellt sie ganz und gar in den Mittelpunkt. Diese musikalisch und bühnentechnisch herausgehobene Position nutzt im Kieler Opernhaus die Sängerin Marion Costa für ihr würdevoll-empfindsames Titelpartie-Porträt - stimmlich und im Spiel nie lauthals forciert, sondern elegant geschliffen und souverän. Dabei gibt sie die Amy Lyons, die sich selbst mit Intelligenz und Instinkt von der Bar-Attraktion zur Diplomaten-Gattin und zu Admiral Nelsons besserer Hälfte aufbaut, mit gutem Grund nicht als feministische Kampfhenne, sondern betont weiblich. Ob heißblütiger Verehrer wie Don Alfredo, dem der dänische Tenor Peter Lodahl bei seinen lyrischen Höhenflügen behutsam Stimme gibt, oder pflichtverkrampfter Gatte Sir William (Karl Schmid-Werter), dem der Komponist ob der diplomatisch heiklen Verwicklungen zwar nicht die Sprache, aber doch den Gesang versagt hat: Die Männer zahlen Lehrgeld.
Der Regisseur Andreas Geier hat auf Grundlage der Konzeption seines angeblich erkrankten Kollegen Lorenzo Fioroni eine überwiegend frische, mit vielen Bildzitaten und Andeutungen spielende Inszenierung ausgearbeitet, die die verbreitete Lust am Happy End mal betont, mal ironisch unterläuft. Der erste Akt der ausgewachsenen Operette kommt entsprechend - Film-Vorspann inklusive - ganz als Hollywood-Revue-Schinken daher. Kiels Ausstattungsleiter Norbert Ziermann hat dafür eine frisch getünchte, weiträumige Traumkulisse gebaut, in der die Liebenden die Sterne vom Himmel holen und Singing-in-the-rain-Tanzen können. Mühelos gelingt so und mittels der Kostüme (Sabine Blickenstorfer) die Rückblende in ein künstliches Rokoko, bevor man sich dann im mondänen Teil Neapels irgendwann im näheren Gestern des 20. Jahrhunderts wiederfindet. Dort, beim x-ten Happy End (diesmal mit Amors Pfeil!) wird beim Kostümfest der schon längst selige Lord Nelson (Jürgen Prediger) vom Sockel steigen, um Lady Hamilton für immer und ewig auf den selbigen zu helfen. Obwohl sie schon gestorben sind, leben sie noch heute. Sehr wirkungsvoll werden von der Regie nebenbei die Erzkomödianten des Ensembles in Szene gesetzt: Allen voran bestätigt Hans-Jürgen Schöpflin sein komisches Talent, macht den unfreiwillig ins heiße Neapel versetzten Londoner Befehlsempfänger Lord Percy zum köstlich genervten und dabei herzensguten und sängerisch überragend plastischen Drahtzieher der Handlung. Simon Pauly bringt als Prinz von Pisa eine Franzosen-Parodie auf den Comedy-Punkt. Und Gloriana Casero, Wettbewerbs-Stipendiatin im Kieler Ensemble, kann als Kellnerin Maria nicht nur temperamentvoll in ihrer spanischen Muttersprache schimpfen.
Auf der anderen Seite werden Operettenklischees mit wenig gebremster Puppenlustigkeit eingestreut. Clark Dunbar darf den(Kunst-?)Maler Romney eifersüchtig Amok laufen lassen; Heike Wittlieb gibt das nur bedingt emanzipierte, dafür munter singende Blondchen Kitty; Martin Fleitmann schärft das Zuhälter-Profil des Kneipenwirts; und Tom Keller bietet als Diener Jimmy Edward Slapstick mit Träne im Knopfloch.
Dass der seit längerem am Kieler Opernhaus ungenutzte Operettenmotor in der Premieren-Überspannung noch nicht hundertprozentig rund läuft, es hier noch fehlzündet und da noch wackelt, mag man weder dem eingesprungenen Regisseur noch dem Kapellmeister Simon Rekers ankreiden. Letzterer kann sich sowohl auf den choreographisch wie musikalisch anspruchsvoll geforderten Chor (Einstudierung: Jaume Miranda) wie auf die nur zu Beginn etwas hölzernen Kieler Philharmoniker verlassen, die er mit Erfolg zu einem verschlankten Unruheherd Marke "Roaring Twenties" getrimmt hat. Die re-implantierten Saxophone, die rhythmischen Anklänge an die noch junge Marke Jazz und nicht zuletzt die eingängigen und doch alles andere als konventionell gestrickten Melodien sind eine frivol-freche Künneke-Saat, die in den Folgeaufführungen noch mehr Blüten treiben kann.
Eduard Künneke: Lady Hamilton. Oper Kiel. Termine: 31. Dezember (16 Uhr; Vorstellung um 20 Uhr ist ausverkauft), 3., 9., 11., 14., 18., 22. und 30. Januar sowie 12., 14., 19. und 28. Februar. Vortrag des Operetten-Fachmanns Prof. Dr. Volker Klotz (Frauen am Ruder. Operettenheldinnen bei Eduard Künneke) am 12. Januar um 19.30 Uhr. Karten: 0431 / 95 0 95 www.theater-kiel.de
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