"Rosenkavalier": Bejubelte Premiere im Kieler Opernhaus Kiel
2009.02.02 04:25
||0||0Rosenkavalier": Bejubelte Premiere im Kieler Opernhaus Kiel – „Der Rosenkavalier“, die geniale „Komödie für Musik“ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal aus dem Jahr 1911, hat am Sonnabend das Publikum im Kieler Opernhaus in Verzückung versetzt. In der Regie von Georg Köhl und unter der Leitung von Georg Fritzsch erscheint das Meisterwerk ebenso munter wie tiefsinnig. Und Stephanie Atanasov führt in der Titelpartie ein großartiges Sängerensemble an. A A A
Christian Strehk | kn | 01.02.2009
14:30 Uhr
Auf einmal da spürt man nichts als sie: Die Zeit, das „sonderbar Ding“, tickt allerorten, rast in den Herzen, dräut in den Köpfen. Am ärgsten spürt sie die Marschallin. Gerade weil sie vergeblich versucht hat, ihre persönliche Reife mittels des überschwänglich jugendlichen Liebhabers Octavian zu kaschieren, wandert mahnend ihr zweites Ich durch den Raum – das zweite Ich (Dramaturgin Cordula Engelbert), das es besser weiß und jeden Selbstbetrug absurd erscheinen lässt.
Georg Köhl hat das in seiner Kieler Neuinszenierung des Straussschen „Rosenkavalier“ wunderbar schmerzlich deutlich gemacht. Und die Sopranistin Karen Fergurson lässt die tapfer aufrechte Melancholie der Adeligen gekonnt spüren. Stimmlich leicht angeschlagen und deshalb vielleicht nicht ganz so legatogeschmeidig wie möglich beeindruckt die Sopranistin allemal mit ihrer nuanciert würdevollen Präsenz.
Geradezu beflügelt durch Köhls in jeder Sekunde aktive Personenregie begegnen der Marschallin im „aufgeblasenen“ Vetter Ochs auf Lerchenau und in Octavian pralle Kontrastfiguren. Jens Larsen, ein Bassbariton mit voller Wucht in allen Lebens- und Tonlagen, agiert wunderbar sympathisch in derber Natürlichkeit. Und weil jede wirklich gute Komödie unbedingt auch die Abgründe braucht, ist dieser Ochs keineswegs nur eine knallige Buffo-Charge, sondern selber ein vom Zahn der Zeit Gefährdeter. Seine wachsende Ängstlichkeit und Irritation, seine Flucht auf Raten ist perfekt gezeichnet. Und auch er bekommt durch seinen Stellvertreter-Diener Leopold (Andreas Groke) kurz, aber stichelnd vor Augen geführt, dass seine eigene erotische Kraft schwindet und er deshalb gegenüber Octavian den Kürzeren zieht.
Zumal gegen diesen Octavian! Stephanie Atanasov ist ein Quinquin zum Verlieben. Der noch sehr junge und doch schon prachtvolle Mezzosopran glüht vor Inbrunst, bebt vor Empörung, parliert und parodiert („nein, nein, nein, nein, I drink kan Wein...“) mit Lust und tiefer Texterkenntnis. Verkleidet als Mariandel verbreitet Atanasov mädchenhaften Charme, ohne dabei je die schlaksige Halbstärke des 17-Jährigen vergessen zu lassen. Wüsste man bei alledem nicht um Christa Ludwigs Coaching, man könnte drauf kommen...
Im Teenager Sophie, stimmlich federleicht, aber betörend silberglänzend besetzt mit Lesia Mackowycz, findet Octavian die reine, verspielte, lebenstraumgläubige Gefährtin zum „Spür-nur-dich“-Abheben. Der liebe Gott (und die Regie) lassen die Marschallin „zuschaun dabei“: Es ist halt vorbei, was vorbei ist. Eine schöne Verbeugung vor den ursprünglichen, erst vom Komponisten in Sarotti-Niedlichkeit abgeschwächten Intentionen Hugo von Hofmannsthals ist es, den Mohren (Denis Adutwum) als potentiellen erotischen Nachfolger Octavians für die nun wieder einsame Ehefrau anzudeuten. So intelligent kann eine Operninszenierung sein.
Zu diesem gekonnt aufgewühlten Wechselbad der Gefühle würde gar nicht passen, wenn Generalmusikdirektor Georg Fritzsch einen bedächtigen „Rosenkavalier“ zelebriert hätte. Und so pulsiert das Wiener Blut gleich von Beginn an im herrlich nervösen Erich-Kleiber-Tempo durch die Adern und das Orchester. Das Kulinarische, die Walzerseligkeit und die raffinierte Klangregie kommen dabei keineswegs zu kurz, denn Fritzsch ist wahrlich ein Strauss-Dirigent und die Philharmoniker folgen ihm trotz Höchstschwierigkeiten wacker, spritzig und sinnlich.
Dass der bejubelte Abend eine Qualität erreicht, die sich überall messen könnte, ist auch dem Gesamtensemble zu danken. Denn neben dem ebenso kratzfüßigen wie kratzbürstigen Faninal von Jörg Sabrowski sind auch mittlere Partien wie das Intrigantenpaar Valzacchi (Steffen Doberauer) und Annina (Marina Fideli), der Polizeikommissar (Hans Georg Ahrens), die Leitmetzerin (Susan Gouthro) oder der gesangstechnisch gefürchtete italienische Sänger (Yoonki Baek) erstklassig besetzt.
Georg Köhl setzt sie alle ebenso plastisch in Szene wie die weitere „Bagagie“. Große Verdienste kommen dabei den leuchtenden, aufgeräumten, schwungvollen und Ordnung schaffenden Bilder(rahmen)ideen Norbert Ziermanns zu, die eine bessere Alternative zum müde dekorativen Rokoko der Alfred-Roller-Tradition bieten. Zusammen mit den exquisiten Kostümen von Claudia Spielmann wird hier genüsslich allerlei historisch Gestelztes zitiert, beispielsweise an William Hogarths Sittenbilder erinnert, ohne dabei jemals museal zu wirken.
Tausend Ideen könnte man noch loben. Dass vom zugehörigen Text nur Anteile zu verstehen sind, ist den Sängern keineswegs vorzuwerfen. Es liegt in der Natur dieser Oper. Trotzdem ist das im Fall des Hofmannsthalschen Edellibrettos besonders schade. Auch die Oper Kiel sollte sich deshalb endlich dazu durchringen, mit einer Übertitelung mehr Detailverständnis ins Publikum zu tragen. Dann würde hier auch noch viel deutlicher, wie beglückend genau und hochmusikalisch die Regie das gesungene Wort anschaulich macht und wie hinreißend frisch und lebendig dieser „Rosenkavalier“ gelungen ist.
Termine: 12. und 20. Februar 2009, 7. und 27. März sowie 6. Mai (jeweils 18.30 Uhr). Außerdem an den Sonntagen vom 12. und 26. April um 18 Uhr. Karten: 0431 / 901 901
www.theater-kiel.de
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