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  • Dido und Aeneas - KN

    2007.09.25 05:56

    석찬일 조회 수:1152 추천:14



    Großes Getümmel und nahöstliche Spurensuche: Aeneas (Johannes An, r.) auf der Flucht Foto Struck


    Die Masken der Macht

    Kiel – Mit viel Applaus für Sänger, Orchester und Ballett und einem Buh-Bravo-Mix für das Regieteam endete am Sonntag der Auftakt des Kieler Theaters zu seiner Jubiläumsspielzeit. Zuvor hatte Thilo Reinhardt Henry Purcells Dido und Aeneas an aktuelle Kriegsschauplätze verlegt – und die einstündige Barockoper dabei mit viel Ballast beladen.
    Man trägt Schleier im Frauenstaat Karthago, den sich der Regisseur für seine Dido-Lesart ausgedacht hat. Selbst seine Anführerin hat ihr Gesicht noch verhüllt, als der Abend mit dem 1. Akt aus Henry Desmarests Tragédie lyrique Didon beginnt. Diesen hat man in Kiel dem Purcell-Hauptgang vorgeschaltet, hier wartet die Königin von Karthago auf den Prinzen aus Troja und nutzt die Zeit, um ihn zu vergöttern. Merja Mäkelä tut dies mit einem Reichtum an dunklen Mezzofarben, der den Einstand des neuen Ensemblemitglieds zum Erlebnis werden lässt. Und die Schattierungskünste der Finnin entfalten sich im Laufe der anderthalb Stunden Spielzeit immer majestätischer. Neben der Bühnenpräsenz der charismatischen Sängerin mit dem einnehmend herben Timbre beeindruckt im Verlauf des Abends vor allem die erstaunliche, geschickt dosierte Klangfülle ihrer Stimme.
    Die korrespondiert schlüssig mit dem Grad an menschlicher Öffnung der Herrscherin, die Reinhardt hier durchdekliniert. Denn die Romanze mit Aeneas führt in seiner Inszenierung dazu, dass Dido ihren Schleier lüftet und mit ihm auch die Maske der Macht fallen lässt. Im Hintergrund lässt Mario Schröder das Ballett Kiel dazu Tänze der Anziehung und Abstoßung zwischen den Geschlechtern vollführen. Später wird es dem Paar und seinem Gefolge in Gestalt von blutverschmierten Nackten erscheinen: Alptraumgestalten aus Aeneas‘ Feldzügen und so Vergangenheit, die nicht vergehen will. Dazu tritt der Opernchor in der Uniform aktueller Kriege in der Wüste an (Kostüme: Bianca Deigner / Paul Zoller), die im Off durch eher putzig wirkende Sandhaufen inklusive Bohrtürmchen (Bühnenbild: Paul Zoller) symbolisiert wird.
    Umgesetzt wird hier also eine Vielzahl von Assoziationen zum Ausgangsstoff: In der von Reinhardt, Schröder und Zoller gemeinsam entwickelten Konzeption geht es um das Verhältnis von weiblichem und männlichem Prinzip, um den Kampf der Kulturen und die Frage, ob ein Dasein an der Spitze der Macht das Herz zugleich so verschließt, dass wahre Liebe nicht mehr möglich ist. Didos Vertraute Belinda, von Heike Wittlieb mit berührender Intensität und zart geführtem Sopran verkörpert, wird über dieser Lesart zum Seelenanteil der Hauptfigur. Schwieriger gestaltet sich bereits die Überführung der Zauberin und ihrer beiden Hexen (darstellerisch wie stimmlich homogen: Marina Fideli, Wiebke Lehmkuhl und Kristina Fehrs) in politische Gegenspielerinnen Didos. Aeneas schließlich wird es noch schwerer gemacht, in seine Hauptrolle zu finden: Johannes An verkörpert den Prinzen mit differenziert und natürlich eingesetzter Stimmkraft – und liefert so die Feinzeichnung eines Charakters, der von der Regie eher eindimensional gesehen wird.
    An solchen Punkten zeigt sich am deutlichsten, dass primär viele Einfälle, aber keineswegs klare Gedanken die Konzeption des Abends bestimmen. Dabei werden die eigentlichen Motive der Oper so sehr umgedeutet, dass sich ihre Substanz zu verflüchtigen droht. Und während der spartenübergreifende Ansatz dafür sorgt, dass auf der Bühne stets ein großes Getümmel zu beobachten ist, passiert hier im Grunde erstaunlich wenig.
    Aus dem Orchestergraben tönt zu alledem eine solide, historisch informierte Interpretation der Musik. Das Originalklang-Wunder, das man in Anbetracht eines so namhaften Dirigenten wie Reinhard Goebel hätte erleben wollen, bleibt jedoch aus. Staunen lässt stattdessen der Esprit, der den von David Maiwald einstudierten Opernchor leitet. Seine inspirierten und geschlossenen Einsätze zeigen umso mehr, dass aus einer der kurzweiligsten Opern des Barock hier eine überraschend langatmige und überillustrierte Geschichte geworden ist.

    Von Oliver Stenzel
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