Tosca - Gediegen gewalttätig
2006.03.14 03:05
verfasst von sema am Montag, 13. Mar 2006, 09:44 Uhr
Ausgesprochen dekorativ präsentiert sich die neue Tosca im Opernhaus! Das hohe musikalische Niveau und die ansprechende Optik sorgten für einen gewaltigen Premierenerfolg, auch wenn die Inszenierung von Georg Köhl wenig Erhellendes zu dem Stück zu sagen hatte, und sich jahrzehntelang vergessen geglaubte Opernkonventionen ungestraft ihren Weg an die Rampe bahnten.
Natürlich ist Tosca ein Primadonnen-Stück! Die drei schwierigen Hauptrollen verlangen Künstler, die auf der Bühne schon einmal alle Register ziehen dürfen.
Und zum Glück hat die Kieler Oper mit Tatiana Plotnikova, Hector Sandoval und Jooil Choi Interpreten dieser großen Partien zur Verfügung, die sich mit Mut und Schonungslosigkeit in ihre Rollen stürzen. Man kann es den Sängern nicht verdenken, dass sie den wirkungsvollsten Gesang nun einmal gerne mittig von der Rampe schmettern. Zu einer vielschichtigen Inszenierung trägt es allerdings nicht bei, wenn die handelnden Personen auf der Bühne nicht in Kontakt zueinander treten, sondern lieber den Blick auf Dirigent und Publikum heften. Doch es gibt auch stimmige Momente in der neuen Produktion, wenn etwa während der Folterszene plötzlich der Blick auf die gelangweilte und satte Hofgesellschaft der Königin freigegeben wird oder sich die Lichter des erwachenden Roms in die Grablichter für Tosca und Cavaradossi verwandeln.
Einen großen Anteil am Erfolg der ästhetisch stark durchkonzipierten Produktion haben natürlich das Bühnenbild von Norbert Ziermann und die Kostüme von Gabriele Jaenecke. Mit klaren Linien und Flächen in rot, braun, weiß, grau und schwarz ist die wandlungsfähige Bühne schon ein Hingucker für sich. Die bunten und interessanten Kostüme am Ende des ersten Aktes sorgen genau für den nötigen Schuss Wahnhaftigkeit, ohne den der erste Akt doch schon erschreckend langweilig und konventionell gewesen wäre.
Kommen wir zur mitreißenden musikalischen Seite der Aufführung! Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor Georg Fritzsch schwelgt ohne Unsicherheiten in den lyrischen Momenten und kann übergangslos zu den lauten und gewalttätigen Teilen der Partitur wechseln. Eine Klasse für sich ist mittlerweile der durch den Kinder- und Jugendchor verstärkte Opernchor, der für ein Te Deum auf Festspielniveau sorgte. Eine starke und überzeugende Aufwertung haben die Rollen des Hirten und des Spoletta erfahren. Wie ein ständiges Symbol der zerbrechenden Ideale der Tosca ist Fiete Krutein nicht nur im dritten Akt zum kurzen Hirtengesang auf der Bühne. Auch Steffen Doberauer schleicht geisterhaft und verdorben als linke Hand seines Herrn Scarpia durch die Szene und überzeugt erneut auch gesanglich. Ein stimmiges Charakterbild des polterigen Mesners zeichnet Kammersänger Attila Kovács, während Hye-Soo Sonn glaubhaft den vor den Scarpias Schergen flüchtenden Angelotti darstellt.
Die Auftritte der drei Hauptfiguren, Cavaradossi, Scarpia und Tosca machen nicht nur musikalisch Spaß, sie überzeugen auch darstellerisch. Hector Sandoval kann mit durchdringenden Vittoria-Rufen und seinen beiden Arien punkten. Jooil Choi zeichnet den bedrohlichen und verkommenen Charakter des Polizeichefs Scarpia eindringlich und Tatiana Plotnikova beweist, dass sie mit der Rolle der Tosca nicht zu viel gewagt hat.
Am Ende wird Tosca erstochen, statt sich wie in der Vorlage in den Tod zu stürzen. Aber wohin hätte sie bei dieser Inszenierung auch springen sollen?
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